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Justin Wolf Verlierer mit 0 Sekunden Rückstand? Ein Sekundenkrimi irgendwo zwischen Serbien und Bosnien

Freitag, Apr 30, 2021 in Pro Cycling

159 Radfahrer fahren ein Rennen über 505,6km und der Sieger hat mit einer Gesamtfahrzeit von 10 Stunden, 40 Minuten und 27 Sekunden exakt die gleiche Zeit wie der Zweitplatzierte. Wir erklären wie das geht und warum dies ein unglaubliches Déjà-vu für BIKE AID ist.

Belgrade – Banjaluka, ein spannendes und vor allem schnelles Etappenrennen, welches in der serbischen Hauptstadt Belgrad startet und nach vier Tagen in Banjaluka, einer Stadt in Bosnien Herzegovina endet. Schnell vor allem, da topographisch bis auf eine Etappe flach und daher gemacht für die Sprinter. Mit Lucas Carstensen hatte man in der BIKE AID Aufstellung jemanden, der hier ggf. Erfolge einfahren kann. Aber am Morgen der ersten Etappe war von Lucas Kräften nicht viel vorhanden, er hatte sich den Magen verdorben und die Nacht auf einem gewissen Örtchen verbracht. Was nun?

Was der Hase dem Fuchs ist der Wolf dem Hauptfeld

Vier Sprintetappen und keinen Sprinter, eine kaum zu lösende Aufgabe, um am Ende nicht gänzlich erfolglos dazustehen. Bekannt ist die Rundfahrt aber auch für ihre chaotischen, teils gefährlichen Schlussrunden. Und so gab es eine winzig kleine Möglichkeit auf einen anderen Etappenausgang. Justin Wolf wollte es erst garnicht so weit kommen lassen, setzte 10km vor den Schlussrunden der ersten Etappe eine Attacke und fing an mit wenigen Sekunden Vorsprung sein Tempo zu fahren. Bei einem gut besetzten Rennen, bei dem ein geschlossenes Hauptfeld mit 50km/h Richtung Ziel fliegt ist so eine Aktion zu 99% zum Scheitern verurteilt. Niemand nimmt sie wirklich ernst, wenn der ein oder andere Nicht-Sprinter für ein paar Meter verzweifelt vor dem Feld her fährt um dann von selbigen, wie von einem hungrigen Wal, in die Tiefe gezogen und nie wieder gesehen zu werden.

Aber nicht so Justin. Auch wenn sich seine Klasse mehr und mehr herumspricht, war die Konkurrenz in Belgrade wohl doch einen Moment zu unaufmerksam. Der Junge kann trauftreten, was er bereits mit einigen Ergebnissen unter Beweis gestellt hat. Ist er weg, bleibt er weg. Und so verzweifelten die Sprintzüge der anderen Mannschaften 20km lang den Dortmunder Riesen einzuholen, der sich mit 10 SekundenVorsprung ins Ziel rettete, den Tagessieg einheimste und das gelbe Trikot übernahm. Eine taktische Meisterleistung aber auch eine absolute Demonstration seiner Stärke, die ihn und das gesamte Team BIKE AID in Euphorie versetzte.

Bonussekunden gibt es nicht über die Payback Karte

Diese 10 Sekunden Vorsprung waren vermutlich die einzige Möglichkeit über den gesamten Verlauf der Rundfahrt einen Vorsprung heraus zu fahren. Und Justin ist eben kein Sprinter, daran lässt sich nichts ändern. Entscheidend für den Ausgang des Rennen würden damit auch die sogenannten Bonussekunden. 10, 6 und 4 Sekunden Gutschrift auf die Gesamtwertung erhalten die ersten Dreiplatzierten der jeweiligen Etappe. Die sich nicht gerade in Bescheidenheit übenden Teams der zweiten Kategorie (BIKE AID ist ein Profiteam der dritten Kategorie) wurden nicht Müde in aggressiven Fahrstil und abfälligen Kommentaren ihre Missgunst gegenüber Justin zu äußern und wetteten keinen Cent, das er auch nur einen Tag das Trikot verteidigen würde.

Den Sieger muss man ersteinmal ausrechnen

Aber Justin ging nicht ein, selbst auf der kleinen „Bergetappe“ ließ er sich nicht unterkriegen und verteidigte bis zur Schlussetappe sein gelbes Trikot. Doch die Konkurrenz lauerte und mit dem Esten Mihkel Räim und dem Polen Patryk Stosz konnten ihm gleich zwei Top Sprinter den Gesamtsieg streitig machen. Rein sportlich gab es eigentlich keine Möglichkeit, es war erneut eine flache Sprintetappe. Nur glückliche Umstände oder Pech bei der Konkurrenz wären eine Option. Der nur 4 Sekunden zurückliegende Patryk Stosz hatte Pech, verlor im Sprint auf der vor Schlaglöchern übersäten Schlussrunde seine Kette und bekam keine Bonussekunden. Mihkel Räim dagegen gewann Souverän den Sprint, holte damit dank der Bonussekunden den auf Justin verbliebenen Rückstand von 10 Sekunden auf und wurde zeitgleich mit Justin  Gesamtsieger von Belgrade – Banjaluka 2021. Justin Wolf rutschte auf Platz zwei, da bei Zeitgleichheit die Summe der Einzelplatzierungen zählt, wo Räim besser lag.

Was sich im ersten Moment für Justin und sein Team wie eine Niederlage anfühlte ist ein großartiger Erfolg. Zum einen hat Justin die winzige Chance umgewandelt und den Sprintern auf der ersten Etappe die Show gestohlen, trug drei Tage das gelbe Trikot und belegt in einem stark besetzten Rennen am Ende Platz zwei. Zum anderen bedeutet dies der dritte Auftaktaktsieg bei einem UCI Rennen in Folge für Justin Wolf.  

Dieser sportliche Krimi um Sekunden klingt wie ein einmaliges Ereignis. So ist es an Absurdität kaum zu übertreffen, das BIKE AID Sprinter Aaron Grosser 2019 das gleiche Schicksal ereilte, als er nach 14Std55min35sek ebenso zeitgleich mit dem Sieger das Rennen auf Platz zwei beendete. Auch damals war Aaron damit kein Verlierer, sondern es war sein größter sportlicher Erfolg in seiner kurzen Karriere.