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Schnee, Kälte und Kletterpartien mit der Weltspitze – BIKE AID bei der Tour of the Alps (UCI 2.HC)

Mittwoch, Apr 26, 2017 in Pro Cycling

Die erste Austragung der „Tour of the Alps“ hielt viele Überraschungen für die Jungs von BIKE AID bereit. Die gelungene Rundfahrt wird sicherlich allen im Gedächtnis bleiben.

Belohnung für harte Arbeit der letzten drei Jahre

Alleine die Einladung zu einem Event dieser Größenordnung zu erhalten ist in der Welt des Profiradsports eher ungewöhnlich für ein Kontinentalteam. So war es dann Überraschung und eine große Ehre zugleich, dass sich die Organisatoren der ersten Austragung der „Tour of the Alps“ dafür entschieden haben dem eher „kleinen Team“ aus dem Saarland eine von lediglich drei Wildcards für dieses prestigeträchtige Rennen zu erteilen (das Rennen ist seit Jahrzehnten unter dem Namen „Giro del Trentino“ bekannt). Die absolute Weltspitze gibt sich also ein Stelldichein in den Alpen, bereitet sich mit „Volldampf“ auf den Grio d'Italia vor und mittendrin nun wir. Laut den Organisatoren ist die Einladung auch direkt mit dem beispiellosen Erfolg des sozialen Projektes und der Charity von BIKE AID verbunden und trägt der sportlichen Entwicklung des Teams über die letzten Jahre Rechnung.

Am Anfang steht die Machbarkeitsstudie

Wie sollten es die Jungs vom Team BIKE AID nun schaffen, mit den weltbesten Kletterern um ehemalige Gewinner des Giro, Tour de France etc. zu bestehen? Gerade für die afrikanischen Fahrer würde diese Angelegenheit ein Riesenerlebnis, aber auch eine enorme Herausforderung bedeuten, haben sie doch bisher noch keine Rennen auf diesem außergewöhnlichen Niveau bestritten. Dennoch bestand die einhellige Meinung: „wir schaffen das!“ Und getreu dem Motto unserer Bundeskanzlerin begann die gezielte Vorbereitung auf die Rundfahrt bereits im Februar und gipfelte in erfolgreichen Rundfahrterfolgen in Gabun und Kamerun, wo sowohl die Fahrweise, der Teamspirit und auch die generelle Formkurve auf eine gute Teilnahme bei der Tour of the Alps hoffen ließen.

Zielsetzung? - bloß nicht anfangen zu träumen!

Doch was sind nun die Ziele für ein Event, welches von „Hochkarätern“ nur so gespickt ist. Das macht es nicht ganz einfach, hier das richtige Maß an Optimismus aber zugleich auch an Realismus walten zu lassen. Ziele sollen ja motivieren, aber auch schließlich erreichbar sein, ansonsten spräche man doch eher von Träumen. Und wie würde man die zuvor erzielten Erfolge nun einordnen können und ableiten, was sie für die Tour of the Alps bedeuten würden? Diese Fragen wurden relativ schnell in diversen Meetings der sportlichen Leitung beantwortet: „aktiv sein, kämpfen, durchkommen und vielleicht einen Glanztag erwischen“, so lautete also die Aufgabenstellung für die Fahrer für die Rundfahrt.

Rennanalyse und Vorbereitung

Die Ziele sind gesetzt und nun heißt es zu bestimmen, was alles notwendig ist, um die definierten Ziele zu erreichen und wie die Konkurrenz so aufgestellt sein wird. Bei Kletterpartien dieser Art, kommt es aus physiologischen Gesichtspunkten auf eine sehr stark ausgeprägte „Schwellenleistung“ im Verhältnis zum Gewicht der Fahrer an. Also eine möglichst hohe Wattleistung über ca. eine Stunde treten zu können, bei möglichst geringem Gewicht. Die Weltspitze (viele der Teilnehmer der Tour of the Alps) bringen hier ungefähr 6,1 bis 6,3 Watt / kg „auf's Pedal“ - also bei einem 70 kg schweren Fahrer bedeutet das, dass er in etwa 434 Watt über eine Stunde leisten kann. Im Umkehrschluss: kann ein Fahrer weniger Leistung produzieren, müsste er im Verhältnis eben weniger wiegen. Im Vergleich dazu, liegen die Werte der Jungs bei BIKE AID, die für die Tour of the Alps an den Start gingen zwischen 5,3 und 5,7 Watt / kg. Augenscheinlich kein allzu großer Unterschied könnte man doch meinen – sind ja nur 0,4 Watt / kg. Doch im Verhältnis spricht man dann wieder über 6,5 bis 8 Prozent, was auf einem solchen Niveau halt dann doch ein „großer“ Unterschied ist. Auch die sogenannte „Rennhärte“ spielt eine enorme Rolle – also jene Fähigkeit, das Leistungspotenzial immer wieder über die Dauer des Rennens konstant abrufen zu können. Und da liegt der Vorteil auch deutlich auf der Seite der „World Tour – Jungs“, die es gewohnt sind Rundfahrt für Rundfahrt über mehrere Tage auf solch hohem Grundniveau zu bestreiten.

Material – Vorteil BIKE AID!

Wenn man also körperlich den Besten schon unterlegen zu sein scheint, dann muss man nun sicherstellen, dass man nicht auch noch mit Defiziten im Bereich Material antritt. Das würde das ganze Unterfangen ja nochmals deutlich erschweren. Zentraler Gesichtspunkt ist das Fahrrad und da sollte bergauf das Gewicht gepaart mit den aerodynamischen Eigenschaften im Vordergrund stehen.

Mit unserem neuen Partner BENOTTI Bikes können wir hier auf unglaublichen Support vertrauen. Mit den von ax-lightness gefertigen Rahmen sind die Bikes schon so sehr leicht. Doch nicht genug, ohne zu zögern komplettierte Bernd Nolte – Inhaber von BENOTTI Bikes – das Setup noch mit megaleichten und zugleich aerodynamischen Laufrädern von ax-lightness, so dass das Bike inklusive Powermeter und sonstigem Zubehör gerade so die 6,8 kg Gewichtsgrenze der UCI erreicht – von unten wohlgemerkt.

Wir sind gerüstet – auf geht’s nach Kufstein zur Teampräsentation

Vorbereitung abgeschlossen, Fahrer alle an Bord – auch wenn es leider erneut ein K(r)ampf war, die Visa für die afrikanischen Fahrer zu bekommen (Ausführungen würden den Rahmen hier bei Weitem sprengen) – und so rollte der Tross aus 8 Fahrern und 7 Staff (Betreuern) zum Startort nach Kufstein an der Grenze zu Deutschland. Trotz vieler Teilnahmen an hochklassigen Rennen bisher, konnte man die Anspannung und Aufregung jedem einzelnen anmerken, denn das war schon ein ganz besonderes Rennen. Und die Besetzung glich eher einem World Tour – Rennen als einem Rennen der Kategorie HC (hors categorie) der UCI. Und so war auch das Bild bei der Ankunft in Kufstein entsprechend: Teamparkplätze voller Reisebusse, 3-Achser LKW, und Unmengen an schön beklebter Teamfahrzeuge. Imposant dieses Bild und BIKE AID mittendrin.

Das Rennen – 5 Tage Kletterspaß und Kälte

Der Winter schlug nochmal zu. In Großteilen Europas wechselte in der Osterwoche das Wetter und das hieß in den Alpen: Schnee, Kälte bis -7 Grad auf manchen Pässen und enormer Wind. Am ersten Tag der Rundfahrt sollte es gleich sehr unangenehm werden mit 2 Grad und ständigem Regen. Vorzeichen, wie sie schlechter wohl nicht hätten sein können, denn es ist gar nicht so einfach, sich – gerade bei ständigem bergauf und bergab – auf diese Bedingungen einzustellen. Gerade die langen Abfahrten von den Bergpässen lassen die Fahrer dann sehr schnell auskühlen und wer das jemals erlebt hat, der weiß, dass dies ein Zustand ist, den man nicht gerne erfahren möchte.

Die ersten beiden Etappen sollten vom Profil eher die „einfachen“ sein, wenngleich auch hier permanent Hügel zwischen 4 und 8 Kilometer auf dem Programm standen inklusive der 5 Kilometer Bergankunft in Innsbruck. Und da die russische Mannschaft „Gazprom“ von Beginn auf das Bergtrikot fuhr, waren beide Etappen von ungemein hohem Tempo geprägt, welches sich nicht mehr ändern sollte während der gesamten Rundfahrt. Lediglich die Bergpässe wurden länger.

Mendelpass, alpe Rodengo mit 15 Kilometern und 12 Prozent Durchschnittssteigung, oder Monte Bondone mit 25 Kilomtern Kletterpartie, alles das Stand auf dem Programm und manch einer ging tagein tagaus durch die Hölle und zurück. Für die Jungs aus Afrika war das Wetter eine Art Schock, denn noch nie in ihrem Leben hatten sie diese Kälte erfahren oder gar Schnee gesehen. Doch alle hielten durch, und fuhren mit den Besten mit. Im Finale setzten sich die Favoriten dann durch und distanzierten die Jungs von BIKE AID, doch alle erreichten die letzte Etappe, die es dann nochmals in sich haben sollte.

Belohnung zum Schluss in Trento – 20 Grad und Sonne und ein Teenie aus Eritrea „on fire“

Frohen Mutes gingen sie an den Start, wohl wissend, dass in Trento nun gut 20 Grad warten würden. Doch vorher standen doch nochmals 199 schwere Kilometer an und die Etappe sollte auch die Entscheidung im Gesamtklassement bringen. So ging es im Höllentempo los, die ersten 24 Kilometer in 23 Minuten, was einem Schnitt von rund 60 km/h entspricht – nicht bergab! Doch es kam, wie es kommen musste und im vorderen Feld ein schwerer Sturz in den auch Salim Kipkemboi aus Kenia verwickelt war und der ihn mit geschwollenem Gesicht zur Aufgabe zwang. Am letzten Anstieg des Tages – dem Monte Bondone – dann die Überraschung: 7 Mann waren vorne. Namen wie Thibaut Pinot (3. Tour de France 2014), Geraint Thomas (Teamkapitän Sky für Giro d'Italia), oder Michele Scarponi (Sieger Giro d'Italia 2011). Ok, das war keine Überraschung, aber was dann dahinter gut 2 Minuten zurück passierte schon!

Ein junger Mann mit dem Namen Awet Habtom passierte den Gipfel des Bondone in der Verfolgergruppe mit nur 2 Minuten Rückstand – und der ist erst 19 Jahre geworden und trägt das BIKE AID – Trikot. Was eine Leistung, wenn man mal seine noch mangelnde Erfahrung und auch die fehlenden Fertigkeiten in der Abfahrt hinzunimmt, die ihn während der gesamten 5 tage enorm Kraft gekostet haben. So beendete Awet die letzte Etappe auf Rang 37 im vorderen Feld des Rennens, nachdem er bergab etwas Zeit verlor. Was für eine tolle Leistung!

Zufrieden mit dem Team? - Aber ja!

Trotz etwas Pech am letzten Tag ist das gesamte Team zufrieden mit dem Auftritt bei der „Tour of the Alps“. Natürlich hätte man sich vielleicht das ein oder andere mehr erhofft, realistisch ist aber bereits die Teilnahme und am Ende das solide Abschneiden des gesamten Teams ein Erfolg. Man war mit dabei, mit der Weltspitze und einem erlesenen Fahrerfeld. Man hat das Talent vieler Fahrer aufblitzen sehen, aber auch die Schwächen aufgedeckt. So können die Jungs zuversichtlich die künftigen Aufgaben in Angriff nehmen und werden garantiert von dieser Erfahrung „Tour of the Alps“ profitieren.

Ein ganz großes Dankeschön an dieser Stelle nochmals an alle Beteiligten und vor Allem an die Betreuer, die täglich dafür gesorgt haben, dass die Fahrer nur eines im Blick haben mussten, nämlich Rennen fahren!

Ergebnisse Tour of the Alps

Interview Salim Kipkemboi

Interview Timothy Rugg

Artikel Cycling weekly über Awet Habtom