Vor einigen Monaten beschlossen wir gemeinsam mit unseren Fahrern eine Reise nach Osteuropa anzutreten. Tausende Kilometer im Auto unterwegs, zwei anstrengende Rundfahrten direkt hintereinander: Belgrade - Banjaluka (UCI 2.1) und Tour of Croatia (ebenfalls 2.1). Keine optimalen Vorraussetzungen für Höchstleistungen, aber logistisch und finanziell nur auf diese Weise machbar. Von Banjaluka sollte es direkt weiter zur Tour of Croatia gehen.
Die Fahrer hatten sich über Wochen für diese Rundfahrt vorbereitet, es sollte ein Highlight des Rennkalenders werden. Dann, während Banjaluka kam die Meldung: Kroatien ist abgesagt. Die Veranstalter haben sich zerstritten und das Rennen wurde in letzter Minute sabotiert. Die Planung für mehrere hunderte Fahrer, Betreuer, Flüge, Fahrzeugüberführungen, Übernachtungen wurden zunichte gemacht.
In Banjaluka rockten die BIKE AID - Fahrer die Rundfahrt und Aaron Grosser gelang sein erster großer Auftritt. Er verpasste nur um Haaresbreite seinen ersten UCI Sieg. Dennoch traten die Fahrer, etwas frustriert, die Heimreise an: Stundenlange Autofahrt, Tour of Croatia abgesagt und viele weitere, harte Trainingsstunden um die Form bis zum nächsten Rennen zu halten.
Hinter den Kulissen versuchte Timo Schäfer mit aller Gewalt irgendwie eine Alternative aufzutun, doch das schien kaum möglich in der Kürze der Zeit. Doch irgendwo auf dem Rückweg zwischen Salzburg und München klingelte das Telefon: „Könnt ihr morgen zur Tour of Mersin kommen?“. Wie bitte? Wie soll das logistisch funktionieren? Fahrer wie Peter Koning mussten erst mal zurück nach Amsterdam, Adne van Engelen nach Rotterdam, Aaron nach Hamm, Justin nach Dortmund, dazu alle Trikots dreckig im Koffer und keine Betreuer eingeplant.
Was in den dazwischenliegenden Stunden ablief? Naja, da gehen wir an dieser Stelle besser nicht näher darauf ein. Aber eine Nacht später trudelten irgendwie so nach und nach alle BIKE AID Fahrer in einem Hotel an der türkischen Mittelmeerküste ein. Im Gepäck hatte jeder zumindest einen Trikotsatz und ein Rad - man könnte es auch als absolute Minimalausstattung bezeichnen.
Nichts von dem großen Glanz, den Profiradsport gerne erwecken möchte: keine Mechaniker, die jeden Tag aufs neue aus Kisten voller Material schöpfen, um neue Ketten auf die polierten Hochglanzmaschinen zu montieren. Alles Schön aufgereiht vor großen 40 - Tonner Materialtrucks, während die Fahrer im Luxus-Reisebus bei angenehmer Temperatur die Füße hoch legen.
Dieser Schein trügt selbst bei der Tour de France, wenn man sich mal bei Dunkelheit umschaut. Nicht selten parken dann die glänzenden Fahrzeuge vor doch eher abgenutzten Formule 1 - Hotels. Radsport ist kein Tennis, wird gern mal gesagt.
Etwas müde vom Reisestress starten 6 BIKE AID Fahrer am nächsten Tag in die erste Etappe. Es wird bergig, schweres Terrain und Peter Koning und Lucas Carstensen befinden sich in einer aussichtsreichen Spitzengruppe. Für Sprinter Lucas sind die Berge aber am Ende zu schwer und auch Peter ist kein ausgewiesener Kletter, schafft es gerade so mit der Gruppe ins Ziel, ist damit der BIKE AID Fahrer für die Gesamtwertung. Elmar Hantzsch konnte kurzfristig als Sportlicher Leiter einspringen, ins Flugzeug springen und hat nun die Hände voll zu tun, damit alles vor Ort läuft.
Aber genau an der Stelle zeigt sich erneut die Qualität unseres Teams: einfach großartige Typen, die zusammen Radrennen bestreiten. Wenn die Begleitumstände schwierig sind und wenn man mit den Augen eines „normalen Athleten“ sagen würde „so kann ich keine Bestleistung abrufen“ , dann blühen unsere Jungs auf, abgehärtet von weitaus schwierigeren Erfahrungen im tiefsten Afrika. Eine Gruppe kann in solchen Momenten resignieren oder an den Aufgaben wachsen.
Am nächsten Tag stehen 192km auf dem Programm und am Ende fährt Aaron Grosser als erster über die Ziellinie, sein erster UCI Sieg. Wie das möglich ist? Das ganze Team hat sich gesagt „wir holen das Beste hier raus“. Ein ganzes Team hat sich für den jüngsten Fahrer eingespannt. Aaron hat damit in den letzten beiden Rennen die besten Ergebnisse seiner jungen Karriere eingefahren, vermutlich aber auch die bisher größten Schritte in seiner Entwicklung als Radsportler vollzogen.
Von diesem Spirit angefixt, schmiedeten die Jungs nun auch an einem Plan, wie man Peter Koning auf der dritten Etappe richtig in Position bringen konnte. Gerade mal 67km lang, dafür über 2.200 Höhenmeter und eine Bergankunft: genau das Ding für Holländer.
Der Sprinter Aaron Grosser selbst sorgte für die letzte Tempoverschärfung im Anstieg, bevor Peter Koning in den Zeitfahrmodus schaltete und Mental die ansteigende Straße irgendwie ausblendete. Der Weißrusse Branislau Samoilau, bis dahin Träger des gelben Trikots, versuchte einige Kilometer am Hinterrad von Peter zu bleiben, gab aber frustriert klein bei und Peter Koning konnte am Ende im Solo den Etappensieg holen und das gelbe Trikot übernehmen.
Auf der letzten Etappe noch einmal keine Fehler machen, als Team alles kontrollieren und dann steht es Fest: Gesamtsieg für Peter Koning bei der Tour of Mersin. Aaron Grosser rundete das Ergebnis noch mit Platz 2 im Tagesergebnis ab.
Peter Koning ist kein junger Fahrer, fuhr bereits die Vuelta Espagna, hat schon viel im Radsport erlebt. Aber eine Rundfahrt konnte er bislang nicht für sich entscheiden. Denn dazu braucht es ein Team, welches uneingeschränkt zusammen arbeitet und das haben unsere Jungs erneut geleistet und macht uns Stolz.
Bemerkung am Rande: Noch 3 Tage, dann steht die nächste Rundfahrt an.