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Oliver Mattheis fährt auf Podium der Tour du Rwanda – BIKE AID gewinnt Mannschaftswertung

Donnerstag, Mär 13, 2025 in Pro Cycling

Der Saisonauftakt hätte für BIKE AID nicht besser laufen können. Sportliche Höchstleistungen, ein starkes Team und ein dramatisches Finale prägten die Tour du Rwanda. Doch nur von Ergebnissen zu berichten, würde dem Ganzen nicht gerecht werden. Ein Bericht weit über den Sport hinaus.

Ein starkes Zeichen zum Saisonbeginn

Was für ein Drama im Finale des größten Radrennens Afrikas! Nur eine Sekunde trennte Oliver Mattheis von Erfolg oder Niederlage vor der letzten Etappe der Tour du Rwanda. Es wäre ein echter Showdown geworden – doch das Rennen nahm eine unerwartete Wendung.

Über acht intensive Tage führte die Tour du Rwanda die Fahrer durch die majestätischen Berge Ostafrikas. Eine Gesamtdistanz von 839,9 Kilometern musste zurückgelegt werden – und genau diese Herausforderung macht den Profiradsport so spannend: Trotz zahlloser Anstiege, Stürze und Attacken entscheiden am Ende oft nur Bruchteile von Sekunden über Sieg oder Niederlage.

Vor der Schlussetappe lag Oliver Mattheis ganze 11 Sekunden hinter den Führenden in der Gesamtwertung – und sein Vorsprung auf den vierten Platz betrug lediglich eine Sekunde. Der mentale und körperliche Druck, in einem solch harten Rennen keinen einzigen Fehler zuzulassen, ist kaum in Worte zu fassen. Über acht Tage darf sich ein Profi keinen Moment der Unaufmerksamkeit, keinen Sturz, keinen Augenblick der Schwäche leisten – sonst ist alles verloren.

Tag für Tag wuchs jedoch auch das Selbstvertrauen des gesamten Teams. Zeitweise trug Vinzent Dorn das Bergtrikot, Yoel Habteab sicherte sich auf der dritten Etappe einen beeindruckenden zweiten Platz, und BIKE AID erkämpfte sich immer wieder die Führung in der Mannschaftswertung.

Auf der finalen Etappe galt alles auf Angriff. Zu Beginn der Schlussrunde lag Dawit Yemane in einer Spitzengruppe vielversprechend in Führung, löste sich gemeinsam mit einem weiteren Mitstreiter und schien berechtigte Hoffnungen auf den Etappensieg zu hegen. Doch dann kam alles anders: Sturm und Starkregen setzten ein, und die Straßen wurden so schmierig, dass das Rennen aus Sicherheitsgründen neutralisiert werden musste.

Damit blieb es in der Gesamtwertung beim Stand vom Vortag – Podiumsplatz für Oliver Mattheis und der verdiente Sieg in der Mannschaftswertung für BIKE AID. Ein starkes Zeichen direkt zu Saisonbeginn im allerersten Rennen. Profiradsport aus dem Saarland, weltweit sichtbar und erfolgreich.

„Mehr hätten wir uns zum Saisonstart kaum wünschen können. Unser Team hat über acht Tage hinweg eine prägende Rolle im Rennen eingenommen und sich eindrucksvoll in den Vordergrund gefahren. Der Blick auf die Mannschaftswertung bestätigt erneut, dass unsere Stärke nicht in einem einzelnen Überflieger liegt, sondern im gesamten Team, das auf hohem Niveau agiert. Dass wir bei Podiumsplätzen und Wertungstrikots genau dort weitermachen, wo unsere Saison 2024 endete, verschafft dem gesamten Team einen unglaublichen Motivationsschub“, so Matthias Schnapka.

Radsportbegeisterung und Perspektiven

Vor allem aber werden uns die intensiven Eindrücke der Radsport-Begeisterung in Ruanda euphorisch zu den kommenden Rennen tragen. Die einmalige Atmosphäre dieser Rundfahrt zeigt, warum auch Afrika einen festen Platz im internationalen Radsport verdient – für die Menschen vor Ort und für die vielen talentierten Sportler, die auf ihre Chance hoffen und endlich gesehen werden möchten.

Wir sind ein Radsportteam, erfolgreich und leidenschaftlich im Wettkampf. Wir möchten uns nicht politisch einseitig positionieren und beanspruchen keine umfassende Expertise in solch komplexen Zusammenhängen. Dennoch möchten wir versuchen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, einige weitere Aspekte in die aktuelle Diskussion einzubringen.

Aufgrund des Konflikts im Ostkongo wird die bevorstehende erste Radsport-Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent in westlichen Medien infrage gestellt. Dabei werden jedoch selten die Menschen vor Ort nach ihrer Meinung gefragt, und die Hintergründe und Ursachen des Konflikts werden oft nur oberflächlich behandelt – obwohl auch wir historisch und aktuell eine Mitverantwortung tragen.

Die Kolonialmächte Deutschland und Belgien haben einst in Ruanda bestehende soziale Gruppen in ethnische Gruppen weiter gespalten, gegeneinander ausgespielt und damit Konflikte geschürt, die schließlich im schrecklichen Genozid von Ruanda gipfelten. Obwohl es im Vorfeld deutliche Warnzeichen für dieses schreckliche Ereignis gab, wurden diese von westlichen Regierungen ignoriert. Nach dem Genozid flohen unter anderem die Täter über die Grenze in den Ostkongo – bewaffnet und teilweise unter dem Schutz westlicher Staaten. Dort infiltrierten sie Flüchtlingslager und verfolgen seither das Ziel, die Macht in Ruanda zurückzuerobern, während sie weiterhin Gräueltaten verüben und teilweise mit dem kongolesischen Militär kollaborieren.

Die Situation im Ostkongo ist seit Jahrzehnten instabil. Über 100 verschiedene Rebellengruppen bekämpfen sich in einer Region, die nicht unter der Kontrolle der Regierung in Kinshasa steht. Es fehlen stabile Machtstrukturen, Rechtsstaatlichkeit und eine funktionierende Infrastruktur – gleichzeitig verfügt die Region über wertvolle Bodenschätze, die für das Wirtschaftswachstum unserer Industrienationen von zentraler Bedeutung sind.

Für die angrenzenden Nachbarländer, nicht nur für Ruanda, stellt diese Situation eine dauerhafte Herausforderung dar. Geografisch ist der Osten des Kongo vom Rest des Landes abgeschnitten – Gebirge, Flüsse und dichter Dschungel bilden natürliche Grenzen, es fehlen Verkehrswege. Daher sind die Grenzübergänge zu Ruanda und Uganda seit Langem zentrale Wirtschaftsadern, auch weil diese Länder im Vergleich eine stabile politische Lage bieten.

Ein Appell für Differenzierung und Verständnis

Angesichts dieser komplexen Zusammenhänge sollten wir vorsichtig sein mit vorschnellen Urteilen oder einseitigen Zuschreibungen, wer in diesem Konflikt „gut“ oder „böse“ ist.

Vor allem aber begehen wir erneut den Fehler, den gesamten afrikanischen Kontinent pauschal als gefährlich zu brandmarken – und das ausschließlich aus unserer westlichen Perspektive. Bisher gab es 97 Radsport-Weltmeisterschaften. In all diesen Jahren standen afrikanische Sportler und Verbände vor der ungleich größeren Herausforderung, die oft unerschwinglichen Reisekosten zu stemmen oder scheiterten an den Hürden der Visabeschaffung.

Nun jedoch wird es als legitimes Gegenargument gewertet, dass westliche Sportverbände aus den wohlhabendsten Industrienationen über unzumutbare Reisekosten klagen, weil sie zum ersten Mal in fast 100 Jahren nach Afrika reisen müssten.

Wer den Mut aufbringt, ein afrikanisches Land zu bereisen, wer bereit ist, ohne Vorurteile in den Alltag der Menschen einzutauchen und für einen Moment die Welt aus ihrer Perspektive zu sehen, dessen Weltbild wird sich nachhaltig verändern.

In Ruanda versucht man, die ethnische Spaltung zu überwinden. Angesichts der nicht weit zurückliegenden Geschichte eine beachtliche Aufgabe. Die Tour du Rwanda, so haben wir es gelernt, spielt darin ein wichtiges Puzzlestück. Man feiert gemeinsam ein Sportereignis, feuert gemeinsam die Sportler der eigenen Nationalmannschaft an. Ein identitätsstiftender Moment für das Land, ebenso ein freudiger Moment, den Sportler aus der ganzen Welt gemeinsam erleben und weitertragen.

Zumindest mit den Bildern der Radsport-Begeisterung aus Ruanda möchten wir versuchen, diesen Geist zu transportieren, zum Nachdenken anzuregen und zu inspirieren.