Auf der vierten Etappe hatte Nikodemus Holler in den Bergen bei Shangrao, mit seinem Solo-Etappensieg die Führung in der Gesamtwertung übernommen. Die Entscheidung fiel am letzten Anstieg der Kategorie "HC", welcher über 6km immer wieder Rampen von über 20% aufwies. Hier konnten die ausgewiesenen Bergfahrer Suleiman Kangangi und Salim Kipkemboi ebenfalls ihre Stärken ausspielen, während einige abgehängte Fahrer teils zu Fuß den Anstieg bewältigen mussten. Die beiden Kenianer legten auch hier ihren Grundstein für das gute Ergebnis in der Gesamtwertung und den Sieg in der Mannschaftswertung.
Darauf folgten 7 Tage Schwerstarbeit für das Team. Hier kam es vor allem auf Patrick Lechner und Matthias Schnapka an, die in der Helferrolle die Tempoarbeit im Feld verrichten mussten. Allerdings konnte man immer wieder taktisch die gute Situation in der Gesamtwertung gegenüber der Konkurrenz ausspielen. Bergauf konnte der Zug aus Holler, Kangangi und Kipkemboi meist das Tempo vorgeben und die Konkurrenz in Schach halten.
Neben Holler stand auch Suleiman Kangangi als Gesamtdritter auf dem Podium, Salim Kipkemboi folgte auf Platz 4 dicht dahinter. Dass es am Ende zu einem solch überzeugenden Gesamtergebnis gereicht hat, hatten sich die Fahrer vorher nicht vorstellen können, war aber vor allem dem geschlossenen Einsatz des gesamten Teams zu verdanken. Auch wenn Sprinter Tino Thömel auf den Flachetappen immer wieder aufs Podium fuhr, setzte er sich genauso selbstlos für das Gesamtergebnis ein.
Was Radsport in China bedeutet, hat das Team BIKE AID schon bei einigen Rundfahrten erlebt. Egal ob die Begeisterung der Zuschauer, die Landschaft, die Städte aber auch der organisatorische Aufwand, all das kann man eigentlich nur mit Superlativen umschreiben. Fast schon nostalgisch niedlich wirken die Anstrengungen, die man in Europa für Radrennen aufbringt.
Bei der Tour of Poyang Lake war BIKE AID das erste mal am Start und auch hier wurden die Fahrer erneut aufs Neue überrascht. Die Tour of Poyang Lake ist das größte "Nicht UCI Rennen" in Asien, sprich eine Rundfahrt des nationalen chinesischen Kalenders. In Deutschland wäre es schwer einem solchen Event eine überregionale Bedeutung zukommen zu lassen. In China ist das Medieninteresse auch bei diesem Rennen groß, die Logistik und der Aufwand hinter dem Rennen atemberaubend. Wie soll man das beschreiben, um nicht mit ständigen Übertreibungen zu langweilen? Vielleicht eine kleine Notiz: Wer in Deutschland als Verein schon mal ein Radrennen organisiert hat, kennt die Schwierigkeit aus dem städtischen Bauhof alleine 50m Absperrgitter zu bekommen. Bei der Tour of Poyang Lake glaubt man oft, dass bei jeder Etappe mehr Absperrgitter stehen, als alle Kommunen in Deutschland jemals zusammen aufbringen könnten.
Aber wie ist das, ein "Nicht UCI Rennen" zu fahren, steht das Team bei Rundfahrten normalerweise ausschließlich bei Rennen des internationalen UCI Kalenders am Start? Ist es einfacher zu gewinnen? Das wäre zu verkürzt und zu einfach ausgedrückt, denn auch hier stehen internationale, erfolgreiche Profiteams am Start. Aber dennoch: Das angenehme an dieser Rundfahrt im Vergleich zu anderen war, dass deutlich weniger Teams und Fahrer am Start standen, die eine zweifelhafte Vergangenheit aufweisen.
Auf den UCI-Rennen der Welt tummeln sich leider genug Mannschaften, die eigentlich jeglichen Respekt verspielt haben und das Engagement der Veranstalter, Sponsoren, Medien, Zuschauer und anderen Teams mit Füßen treten. Ein Rennen zu bestreiten, das sich etwas sauberer anfühlt, ist auf jeden Fall etwas gutes. Aber beim genaueren Hinsehen findet man auch in diesem Rennen Kandidaten, mit unrühmlicher Doping Vergangenheit.
Radrennen in China bedeutet aber auch oft lange Transfers und Rundkurse in den Millionenstädten auf sechsspurigen Straßen. Wenn man nach einer Etappe 10 Stunden in einem Bus sitzen muss, bekommt man auch den letzten Funken Enthusiasmus aus den Muskeln gezogen und fühlt sich auf seinem kleinen Rennrad etwas hilflos, auf den breiten Highways zwischen den Wolkenkratzern.
Die Tour of Poyang Lake ist hingegen ein positives Beispiel, dass es auch anders geht. Kurze Transfers nach den Etappen, was bedeutet dass 1 bis 2 Std. verhältnismäßig "Nichts" sind, setzt man dies in Relation zur Größe des Landes. Zudem ein guter Mix aus Natur und Metropole bei den Strecken. Kleine Bergstraßen in traumhafter Natur, wie man es vom Radsport aus Europa kennt, dann wieder in das Getöse der Großstadt eintauschen und von den vielen Zuschauern gefeiert werden.
Wir kommen gerne wieder!