Tage später besuchte ich wieder die Seite und nach etwas Recherche stellten sich die angenommen Tippfehler als bitterer Ernst heraus. Dennoch neugierig begann ich mich mehr mit dem Thema Brevet auseinanderzusetzen. Nachdem ich mehrere Wochen hin und hergerissen war, wagte ich schließlich den Selbstversuch und meldete mich todesmutig und zum Entsetzen meiner Familie für das 200km Brevet an.
Ein Brevet (französisch für Prüfung) ist eine Langstreckenfahrt, bei der es gilt eine bestimmte Strecke in einer vorgegebenen Zeit und aus eigener Kraft zu absolvieren.
Kurz gesagt, man setzt sich aufs Rad, folgt der Strecke und hofft ohne Zwischenfall und im Rahmen der vorgegeben Zeit von Kontrollstelle zu Kontrollstelle zu kommen.
Dabei stehen die Glücksgefühle, welche mit jedem gefahrenen Kilometer mehr in einem hochkommen, im krassen Gegensatz zur Verständnislosigkeit seiner Mitmenschen.
Frage: Was haben die Saarländer was die Pfälzer nicht haben?
Antwort: Einen von 15 ARA Startorten.
Auch im kleinsten Bundesland Deutschlands gibt es einen Startort an welchem seit 2015 jedes Jahr Brevets starten (und so Gott will) auch wieder enden.
Randonneure aus dem Südwesten versammeln sich hier regelmäßig, um an den Prüfungen teilzunehmen, welche nicht nur durch das schönste Bundesland sondern auch durch die Nachbarländer Frankreich, Luxemburg sowie Rheinland Pfalz führen.
Nachdem die Organisatoren Andrea Nicola und Stefan Langhabel Jahr für Jahr das Portfolio der angebotenen Brevets erweitern, wird dieses Jahr erstmalig auch ein Brevet von 1.000 km angeboten.
Neben der Organisation eigener Brevets (und allem was dazu gehört) dient der Startort Saarland beispielsweise auch als Kontrollpunkt der Jubiläums-Brevet (25 Jahre ARA) von Paris nach Hamburg.
Am 8. April war es soweit. Die Audax Randonneurs Allemagne Saarland veranstalteten ihr erstes Brevet für das Jahr 2017. Ausgestattet mit meiner Teilnehmerkarte und dem Streckenplan fiel morgens um 8 Uhr der Startschuss. Bei kühlen 2°C starten sechzig Teilnehmer in zwei Gruppen, um vom Camping Platz Blauloch in Wallerfangen die 200km in Angriff zu nehmen. Die Strecke führte uns von Wallerfangen an der Saar entlang bis nach Konz wo wir dann der Mosel durch Luxemburg folgten, bis wir um Conz les bains durchs französische Hinterland wieder Richtung Saarlouis zurückkamen.
Kontrollpunkte waren Bäckereien und Supermärkte, der ideale Ort um sich bei einem Kaffee und einem Kaffeestückchen wieder für die nächsten sechzig Kilometer zu stärken. Ihr könnt euch denken, dass wenn sechzig hungrige Biker über alles herfallen, was Energie und Kalorien liefert, die Auslagen einer Bäckerei am Ende aussehen, als wäre heute Ruhetag! Am letzten Kontrollpunkt haben unsere französischen Nachbarn es sich nicht nehmen lassen und für unsere kleine Nachzüglergruppe nochmals frischen Kaffee aufgebrüht. Merci beaucoup!
Bei absolut phantastischem Wetter hatte dieses Brevet mehr was von einer familienfreundlichen Fahrradtour oder Gourmet Biken als von einer "Prüfung". Die letzten Teilnehmer kamen trotz mehreren Pannen und ausgiebigen Pausen nach zwölf Stunden wieder in Wallerfangen an. Das Zeitlimit für das 200km Brevet betrug 13,5 Stunden. Die gefahrene Strecke sowie weitere Bilder findet Ihr auf der Seite der ARA Saarland (http://www.ara-saarland.de).
Ich war übrigens nicht der einzige aus der Riege der BikeAid-Mitglieder. Neben mir startete Markus Montnacher zu seinem insgesamt vierten Brevet. Dabei waren unter den sechzig Teilnehmer nur ein halbes dutzend Saarländer vertreten.
Ganz klar: "Nach dem Brevet ist vor dem Brevet!"
Das nächste Brevet (300km) findet bereits am kommenden Wochenende statt. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und habe mich erneut angemeldet.
Leider scheint das Wetter es nicht gut mit uns zu meinen und 300km werden garantiert nicht so „leicht“ zu fahren sein wie 200km aber wie heißt es so schön: "Was uns nicht umbringt, macht uns stark" oder "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt". Also drückt mir und allen anderen Teilnehmern die Daumen und wünscht uns Glück sowie einen reibungslosen Ablauf!
Es hätte nicht besser laufen können, das Wetter und die Tour waren perfekt. Klar, auf meine Platten hätte ich verzichten können und meine Zeit von elf Stunden hätte sicher auch besser sein können, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Am Ende zählt das Ankommen und Durchhalten! Und da es sich um mein erstes Brevet handelt, bin ich wirklich sehr zufrieden. Leider setzt diese "Performance" jedoch die Messlatte für das nächste Brevet ziemlich hoch.
Für mich als trailbegeisterter Mountainbiker war das Brevet eine ganz neue und fantastische Erfahrung, welche ich nicht missen möchte.
Zum Leidwesen meiner Familie hat mich diese Art Fahrradveranstaltung angefixt, weshalb auch recht schnell nach dem 200km Brevet fest stand, dass ich mich zum 300km Brevet anmelde.
Nicht zuletzt möchte ich mich aber noch bei der tollen Truppe bedanken, mit welchen ich den Großteil der Strecke gemeinsam fahren durfte. Vielen Dank an Sonja, Klaus und Jochen. Ich hoffe, wir sehen uns beim nächsten Brevet wieder.
Ride On
Philip
Text & Fotos: Philip Schneider