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Umbruch zum Aufbruch – Abgang von Holler, Carstensen und van Engelen schafft Freiraum für neue Entwicklungen

Sonntag, Nov 20, 2022 in Pro Cycling

Das BIKE AID Profi Team geht in seine zehnte Saison. Zeit für einen Neustart.

2014 starteten Timo Schäfer und Matthias Schnapka das erste saarländische Profiteam. In einem Bundesland, in dem die größten Ereignisse des Weltradsports gastierten, bevor der Profiradsport in Deutschland in eine tiefe Krise verfiel.

Vieles machte man anders, sorgte bei den Traditionalisten des Radsports teils für Stirnrunzeln. Ein Profiteam mit einem Vereinsnamen, Förderung afrikanischer Sportler, Rennen in den entlegensten Gegenden der Welt. Vom exotischen Außenseiter hat sich das Team allerdings längst weg entwickelt. Die Erfolge und der hochwertige Rennkalender sprechen für sich und machen das Team zu einem der erfolgreichsten Kontinental-Teams im internationalen Vergleich.

Mit dafür verantwortlich waren auch großartige Sportler wie Nikodemus Holler und Lucas Carstensen.

Abschied von einem Urgestein

Holler war in den vergangenen Jahren der erfolgreichste deutsche KT-Fahrer in Sachen Gesamtwertung. Zu den Erfolgen zählten unter anderem der Gesamtsieg der Tour of Thailand oder zwei Etappensiege bei der Tour Hongrie. Holler fand bei BIKE AID den Freiraum, um aufzublühen. „Niko ist ein starker Charakter, der sich nicht in ein Schema pressen lässt. Unser Team hat viel von ihm profitiert. Vor allem, da er neben seinen eigenen Erfolgen auch immer den Blick für die Mannschaft hatte und taktisch ein absolutes Ass ist“, so Matthias Schnapka.

Allerdings konnte Holler seit diesem Frühjahr keine Rennen mehr bestreiten. Nach einem Sturz bei der Türkei Rundfahrt traten weitere gesundheitliche Probleme auf, an denen er lange laborierte. Es sieht jedoch so aus, als könne er diese lösen und nächste Saison wieder eine Startnummer auf dem Rücken tragen. „Dennoch ist es für uns Zeit nach acht Jahren von Niko Abschied zu nehmen. Dies fällt uns nicht leicht. Er hat unser Team maßgeblich mitgeprägt. Er hat viel Raum eingenommen, was auch gut war. Aber an einem gewissen Punkt brauchen wir diesen Raum für neue Entwicklungen, Raum für junge Fahrer. Wir wünschen Niko alles Gute und hoffen ihn als motivieren Konkurrenten wieder im Peloton zu sehen“, sagt Matthias Schnapka.

Lucas Chance in Thailand

Was Holler in Sachen Gesamtwertung darstellt, ist sein Teamkollege Lucas Carstensen im Sprint. Die Liste seiner UCI-Siege ist lang und dürfte einen Rekord für einen KT-Sportler hierzulande darstellen. „Auch bei Lucas sind wir innerlich zerrissen. Wir haben so viele großartige Siege in sechs Jahren mit ihm gefeiert, einen solchen Sportler will man nicht gehen lassen. Aber Lucas Herz schlägt mehr und mehr für Asien. Diese Rennen sind fester Bestandteil unseres Kalenders aber wir wollen auch in Europa erfolgreich sein. Lucas hat nun eine Chance in einem thailändischen Team bekommen, was für ihn der richtige Weg ist und uns die Möglichkeit bietet, neue Fahrer im Sprint in den Mittelpunkt zu stellen“, so Matthias Schnapka.

Neues Team, gleiche Loyalität

Auch Adne van Engelen war einer der prägenden Fahrer des Teams in den vergangenen sechs Jahren. Auch wenn der Bergspezialist lange bis zu seinem ersten UCI-Sieg gebraucht hat, fuhr er viele Top Ergebnisse ein, wann immer es steil wurde. „Wie Lucas und Niko ist auch Adne ein absoluter Individualist, den wir mit Stolz in unserem Team hatten. Adne braucht Berge und gutes Wetter. Und auch er schlägt gerade wie Lucas private Wurzeln in Thailand. Da ist es auch nur konsequent, dass er sich dort einem Team anschließt. Allerdings verbindet uns mit Adne auch eine langjährige Freundschaft, zudem hat er an der Entwicklung des Teams viel mitgearbeitet. Das er das auch weiterhin tun wird, obwohl er im Rennen ein anderes Trikot tragen wird, zeigt seine Loyalität zu unserem Projekt“, so Matthias Schnapka.

Der größte Schnitt der bisherigen Geschichte

Zu 2023 vollzieht das saarländische Team damit den größten Schnitt seiner bisherigen Geschichte. Neben dem Dreigestirn Holler, Carstensen und Van Engelen werden mit Sebastian Niehues, Jesse de Rooij, Salim Kipkemboi, Jesse Ewart und Julian Lino ganze acht Fahrer das Team verlassen.

„Wichtig ist festzuhalten, dass wir es uns mit diesen Entscheidungen nicht einfach gemacht haben. Alle Fahrer sind gute Jungs, die man gerne in einem Team hat. Aber wenn wir das Projekt weiter entwickeln wollen, brauchen wir irgendwann frischen Wind. Es schleifen sich Dinge ein, die die Flexibilität für neue Ideen schwinden lässt. Wir wollen unser Projekt jedoch vorantrieben, mit dem Ziel möglichst viele Menschen für den Radsport zu begeistern und in Deutschland den Profiradsport wieder nach vorne zu bringen. Natürlich lässt sich die sportliche Lücke nicht so einfach schließen, wenn wir so großartige Sportler gehen lassen. Aber wenn wir nur am bisher Erreichten festhalten, werden wir uns auch nicht weiterentwickeln. Wir freuen uns auf viele neue, motivierte Fahrer in unserem Team. Es bleiben aber auch Fahrer wie Jasper Pahlke, Enzo Decker, Wesley Mol und Léo Bouvier, die nun die Chance für ihren eigenen Erfolg bekommen werden. Und der Eritreer Dawit Yemane, der hoffentlich als nächster Afrikaner über uns den Sprung nach oben schaffen wird“, so Matthias Schnapka.

Umbruch auch im Management

Zudem wird sich in Sachen Teamleitung einiges ändern. „Ich bin stolz darauf, was wir bisher mit diesem Projekt erreicht haben. Vor allem, weil wir zuvor keinerlei Strukturen für professionellen Radsport in unserer Region hatten und nur durch unsere Passion und Motivation so weit gekommen sind. Für mich wird es aber leider Zeit Abschied zu nehmen. Der Spagat zwischen normalem Berufsleben und einem solchen Projekt ist auf Dauer nicht zu leisten. Es waren tolle Jahre, aber es war auch ein Maximum an Energie, was ich dafür gebraucht habe“, so Timo Schäfer.

Gemeinsam gründete er das Team mit Matthias Schnapka und beide waren lange selbst als Fahrer im Team aktiv. Dies prägte sicher auch die besondere Atmosphäre im Team, bei dem die Sportler auf Augenhöhe in viele Entscheidungen einbezogen wurden. Ab 2023 wird auch Matthias Schnapka nicht mehr aktiv als Fahrer dem Team angehören, was ihm ermöglicht den Fokus voll auf die Weiterentwicklung des Projekts zu lenken. Auch wenn er an der grundsätzlichen Atmosphäre „ein Team von Sportlern für Sportler“ nichts ändern möchte. Zudem steht ihm der Holländer Anton Wiersma im Management zur Seite, der 2022 bereits als Sportlicher Leiter im Team aktiv war.