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Tour of Qinghai Lake – der etwas andere Blickwinkel

Montag, Jul 25, 2016 in Pro Cycling

In der ersten Woche der Tour of Qinghai Lake hat das Team Stradalli – BIKE AID Höhen und Tiefen erlebt. Eine sehr harte Woche geht zu Ende und am heutigen Ruhetag bleibt Zeit für einen kleinen Rückblick – der etwas anderen Art.

Das größte Radrennen Asiens

 

Sie ist das größte Radrennen in Asien. Sie führt über 13 Etappen und dauert gute zwei Wochen. Außerdem ist sie in die zweithöchste Kategorie des Weltradsportverbandes UCI „HC“ eingestuft – also eine Kategorie unter zum Beispiel der Tour de France. So weit nichts Besonderes, nicht wirklich jedenfalls, denn zwei Wochen Radrennen und die Kategorie gibt es auch woanders. Doch was diese mystische „Tour of Qinghai Lake“ ausmacht sind ganz viele andere Dinge. Dinge, die nicht nur auf dem reinen Gedanken „Wettkampfsport“ beruhen oder sich um das vielmals wiederholende „höher, schneller oder weiter“ drehen.

Ich möchte mich ganz bewusst einmal aus persönlicher Sicht an die Leserschaft wenden und eben aus einem anderen Blickwinkel schildern, was denn ein solches Event bedeutet und was sich neben dem Wettkampf alles abspielt. Denn genau das sind oftmals auch die Dinge, die ein Event zu dem machen, was es ist – etwas Besonderes.

 

Kleines Team – große Bühne

 

Um ein wenig den Kontext zu verstehen, muss man erst einmal wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ein doch recht kleines Kontinentalteam aus dem Saarland zu so einem Riesenevent überhaupt eingeladen wird. Ja, man muss dazu eingeladen werden, man kann sich nicht einfach „anmelden und mitmachen“, sondern der Veranstalter wählt sehr bedacht aus, wer denn alles so dabei sein soll und darf. Dabei spielen natürlich ganz viele Faktoren eine Rolle: sportliche Wertigkeit, Zugehörigkeit zu welcher Kategorie aber auch Faktoren wie zum Beispiel Hintergründe eines Teams. So ist es schon eine sehr große Ehre und auch ein Erfolg, dass unser Team nun schon zum dritten Mal in Folge nach China reisen darf und sich mit Teams aus der ersten Liga des Radsports (World Tour) messen kann. Insgesamt geht das Rennen über 13 Etappen, die mit bis zu 240 Kilometern Länge und schier endlos erscheinenden Bergpässen alles abverlangen, was dieser Sport zu bieten hat. Über die Etappen verteilt werden rund 2.000 Kilometer an Renndistanz bewältigt, was schon recht enorm ist. Auch das mediale Interesse ist enorm an diesem Event. Jeden Tag überträgt das chinesische Staatsfernsehen CCTV live von dem Rennen, was für uns bedeutet, dass jeden Tag viele Journalisten, Fotografen und Fernsehhubschrauber hier herumschwirren. Einfach gigantisch, was hier passiert.

 

Hoch oben wird die Luft dünn

 

Nun aber wieder zu den Besonderheiten. Was ganz gewiss eine extreme Herausforderung an den menschlichen Körper darstellt und zugleich das Rennen einzigartig macht, ist die Höhe auf der es zu großen Teilen stattfindet. In der chinesischen Provinz „Qinghai“, die übrigens die größte des Landes ist, befindet man sich fast ausschließlich auf über 2.200m über dem Meeresspiegel und die Etappen führen oftmals auf Bergpässe mit 3.800 oder gar 4.200m. Das Gefühl, einen solchen Pass zu überwinden ist in etwas so, als würde man versuchen mit Strohhalm im Mund so schnell man kann den Mont Ventoux hochzufahren.

Ebenso kann man die Landschaft und die Gegend, die es jeden Tag zu sehen gibt, nur sehr schwer in Worte fassen, denn neben der bereits erschwerten Atmung durch die Höhe wird einem durch diese unglaublichen Eindrücke tagein tagaus der Rest an Atem genommen. Einfach unbeschreiblich sind diese gewaltigen Gebirgsmassive oder auch das Flussbett des Yellow River. Ganz zu schweigen von der atemberaubenden Aussicht auf den Qinghai Lake, der dieser Rundfahrt ja den Namen gibt. Ganz nebenbei bemerkt ist dieser See, dessen Ausmaße wir uns in Deutschland nur schwer vorstellen können, der höchstgelegene Salzsee der Erde auf rund 3.000m Höhe über dem Meeresspiegel.

 

Die Menschen vom Mars

 

Erwähnenswert sind auch die Menschen hier. In den vielen chinesischen Kleinstädten – die in etwa alle so groß wie Berlin sind (also rund 3 Millionen Einwohner zählen) – tummeln sich jeden Tag massenweise Menschen, sodass man sich vorkommt, als wäre jeden Tag die letzte Etappe der Tour de France auf den Champs-Elysées. Einfach unglaublich diese Begeisterung, die einem entgegen schwappt. Auch die Neugier der Bevölkerung auf uns „Außerirdische“ ist immer wieder aufs Neue eine bemerkenswerte Sache, wenn sich praktisch jeder Einheimische umdreht und uns mit einem Blick anschaut als würden wir gerade frisch vom Mars gelandet sein. Es ist halt nicht so, dass hier viele Touristen wären, jedenfalls nicht aus Europa, denn nur das erklärt diese Verhaltensweisen, die doch sehr drollig auf uns wirken. Es ist auf keinen Fall so, dass dies in einer aufdringlichen Art geschieht sondern eher zurückhaltend und schüchtern.

 

Gegen die Ukrainer ist kein Kraut.....

 

Sportlich gesehen war die erste Woche sicherlich nicht so, wie wir uns das alle erhofft und auch erwartet hätten, aber dennoch nicht ohne Erfolg. Auf der ersten Etappe konnte Patrick Lechner gleich in einem sehr hektischen Finale einen tollen siebten Platz einfahren und danach waren wir auch immer wieder in den Top 20. Nicht ganz so gelaufen ist vor allem die Gesamtwertung, wo wir uns mit einem sehr starken Nikodemus Holler doch einiges ausgerechnet hatten. Aber gegen die schier unglaubliche Übermacht einer Mannschaft aus der Ukraine und die nicht ganz menschlich anmutenden Leistungen einiger Herren aus Kolumbien und dem Iran kann man dann leider nicht viel tun und muss es nehmen wie es kommt. Jedenfalls ist es erstaunlich wenn man mit solchen Leistungen konfrontiert ist von Männern, die man eigentlich noch gar nicht so oft gehört hat, während Niko in Europa auch bei ganz großen Rennen bereits gezeigt hat, dass er mit deutlich bekannteren Namen der Branche am Berg Akzente setzen kann.

Jetzt ist Ruhetag und alle – auch, oder vor allem die Betreuer – haben mal Zeit zum Durchatmen, bevor es dann in die finale Phase dieser großartigen Rundfahrt geht. Es wird sicher noch viel zu erzählen geben, aber das hebe ich mir auf für den zweiten Teil. Bis dahin hoffe ich, dass die Eindrücke gut rüberkamen

 

Euer Timo Schäfer

 

Ergebnisse Tour of Qinghai Lake