Image
Image Image
Image

BIKE-AID bei der Tour de l´Ardèche

Mittwoch, Sep 22, 2010 in Pro Cycling

Berge mit 30km Länge, Stromschnellen im Wildwasser und andere Herausforderungen erwarteten unsere Fahrerinnen in Südfrankreich.
Bereits 2009 dufte das Team BIKE-AID, als eines der wenigen Amateurmannschaften, an der renommierten UCI Rundfahrt „Tour de l´Ardèche“ im Süden Frankreichs teilnehmen. Das Rennen gilt als eine der schwersten Rundfahren im internationalen Kalender und wird von Nationalmannschaften und Profiteams zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften genutzt. Der „Directeur de course“ Alain Coureon war begeistert vom sympathischen Auftreten unsere Mädels, so dass wir auch in diesem Jahr dabei sein durften.  
 
Wir könnten über ein Urlaubserlebnis in Südfrankreich berichten, über schöne Landschaft, viel Sonne, Kanu fahren auf der Ardèche... Oder über die Qualen für unsere Mädels, 6 Etappen lang mit der Weltspitze mitzuhalten. Mit ersterem könnten wir den Neid der Daheimgebliebenen wecken. Etwas Radfahren um Urlaub in Südfrankreich zu machen, da würde ich gerne tauschen, mag sich so mancher denken. Wenn man sich dabei aber jeden Tag bis zur absoluten Erschöpfung anstrengen muss, sind diese Annehmlichkeiten eine berechtigte Belohnung.  
 
Wie bereits mehrmals erfolgreich erprobt, gingen wir hier gemeinsam mit den Fahrerinnen des Teams Rothaus aus Südbaden an den Start, um den organisatorischen Aufwand zu teilen. Für die kleineren Teams sind große Rundfahrten finanziell, personell und organisatorisch ein Kraftakt. Allein an der Infrastruktur vor Ort sieht man schnell die Unterschiede. Die einen kommen mit eigenem Material LKW, die Fahrerinnen duschen sich im Ziel direkt im eigenen Wohnmobil, es stehen mehrere Renndienstwagen zur Verfügung und für jede Aufgabe ist entsprechendes Personal vorhanden. Bei den kleinen Vereins- und Amateurteams muss jeder mit anpacken, Freunde und Eltern werden zu Masseuren oder Mechanikern und an der Verpflegung steht die Familienkutsche und kein Team Truck. Um unseren Fahrerinnen dennoch hochwertige Wettkämpfe im Ausland zu ermöglichen, gibt es mit dem Team Rothaus und dessen Sportlichen Leiter Mark Schneider eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, die dank einer guten Chemie unter den Fahrerinnen auch sehr gut funktioniert. 
 
Am meisten Angst hatten die Fahrerinnen natürlich vor der ersten Etappe. Wie schnell wird gefahren, wie schwer sind die Berge? Aus dem Vorjahr kannten wir die Anstiege der ersten Etappe und bereiteten unsere Fahrerinnen darauf vor. Wenn es dann doch einfacher kommt als erwartet, ist es immer gut. Den schwersten Anstieg umfuhren wir, vielleicht hatte der sintflutartige Regen in der Nacht die Straße unfahrbar gemacht. So war die Etappe nicht ganz so schwer und wir konnten sogar in die Wertung um das Sprinttrikot eingreifen. Unter den Profis herrschte scheinbar noch keine richtige Entschlossenheit, wer sich ernsthaft in den Kampf um das Trikot stürzen wollte. Wir profitierten davon und gleich drei unserer Fahrerinnen konnten Punkte ergattern. Désirée Schuler holte die meisten Punkte und hätte mit einem weiteren 2. Platz in der letzten Sprintwertung das Trikot holen können. Als das Rennen in die heiße Phase ging, verlor sie durch Defekt den Anschluss und konnte nicht mehr punkten.  
 
Die 2. Etappe war ein Zeitfahren über 3,5km. Vom Start weg steil berghoch und anschließend eine technisch schwierige Abfahrt, auf der noch viel Dreck und Geröll vom Regen lag. Viel potential für Stürze, aber unsere Fahrerinnen kamen alle heil durch. Auf der 3.Etappe ging es aus den Bergen von Vals Les Bains nach Le Teil im Rhone Tal. An Punkte in der Sprintwertung war spätestens hier nicht mehr zu denken. Die Berge waren zu lang und der Kampf um die Gesamtwertung sorgte für ein enormes Tempo. Elena Eggl kam damit am besten zurecht und konnte sich auch über den letzten Berg des Tages der Kat. 1 im Hauptfeld halten. Tina Heizmann musste aber erschöpft in den Begleitwagen steigen, unterstützte aber von nun an als Betreuerin ihre Teamkolleginnen aufs beste. Wer sich Tinas aktuelle Odyssee innerhalb 2 Wochen auf Google Maps anschaut, hat dafür Verständnis, dass ihre Kräfte nicht ewig reichen. Kurz umrissen war dies dank Radrennen und Hochzeiten: Berlin – Südschwarzwald –  Saarbrücken - Berlin – München – Berlin – Saarbrücken – Südfrankreich – Saarbrücken – Berlin – Freiburg – Berlin, ergeben rund 7.500km. Damit nicht genug, schreibt sie nebenbei gerade ihre Doktorarbeit für Geschichte und Politik, welche im Oktober fertig sein muss. Kaum zu glauben. 
 
Gefürchtet war der erste Berg der 4. Etappe. Laut Streckenprofil vom Start weg 24km aufwärts bis zur Bergwertung. In diesem Falle sind Kilometerangaben wichtigste Orientierung um sich zu motivieren. Mit allen Kräften versuchten unsere Fahrerinnen an der Spitze dran zu bleiben und kämpften Meter für Meter. Gerade auf dem letzten Kilometer gaben sie dann alles. Aber bei Kilometer 23 war noch nichts von der Bergspitze zu sehen und so manche Fahrerin begann zu verzweifeln. Am Ende war die Bergwertung erst bei Kilometer 30 erreicht. Traumhaftes Bergpanorama bei perfekten Wetter, den Fahrerinnen half dies leider nicht. Nach 129km erreichte Elena Eggl erneut als beste BIKE-AID Fahrerinnen das Ziel auf Platz 34. 
 
Erwähnenswert auf der 5. Etappe war die letzte Bergwertung auf dem Mont Sampzon. Zwischen Ruoms und dem Touristenort Vallon pont d´Arc thronte eine kleine Felsspitze über der Ardèche. Ebenfalls ein wunderbare Ausblick und gerade mal 3km berghoch. Für die Fahrerinnen wieder aber nichts zum genießen, da es so steil war, das man teilweise mit dem Begleitwagen fast nicht hoch kam. Die letzten 25km auf der insgesamt 120km langen Etappe von St. Martin d´Ardèche nach Villeneuve de Berg gingen leicht bergauf durch das Vallée de l'Ibie. Erstaunlicherweise hatten unsere Mädels dabei genügend Kraft sich die schönen Badeplätze an dem kleinen Fluss zu merken. Nach dem Elena Eggl im Ziel mit Platz 20 erneut ihre gute Form unterstrich wurden die Damen dann direkt zur erholenden Abkühlung kutschiert.  
 
Die 6. und letzte Etappe stand an. Dreimal eine 30km Runde mit einer Bergwertung auf der traumhaften „Route des Gorges de l'Ardèche“. Von St. Martin ging es die Straße hinauf über den Canyon der Ardèche. Direkt am Straßenrand ging es steile Felswände hinab und unten schimmerte der Fluß, gespickt mit vielen kleinen Kanus. In der Ferne ragte der weiße Riese der Provence, der Mont Ventoux, in den Himmel. Die Mädels waren hoch motiviert und fieberten der verdienten Belohnung am nächsten Tag entgegen. Noch einmal zeigten sie, dass sie bei einem solchen Rennen durchaus mithalten können. Beste BIKE-AID Fahrerin war Elena Eggl, die sich mit konstant guten Leistungen in den Etappen am Ende auf Platz 28 der Gesamtwertung wiederfand. Siegerin der Rundfahrt wurde die Australierin Vicki Whitelaw vom Team Lotto, die sich einen Sekundenkampf mit der Engländerin Sharon Laws von Cervelo geliefert hatte.  
 
Ungewöhnlicherweise endete die Rundfahrt an einem Samstag, was uns einen rennfreien Sonntag in der Ardèche bescherte. Aber statt faul am Pool rum zu liegen, wechselten wir das Sportgerät. Kanu fahren auf der Ardèche ist ein Erlebnis, was man sich nicht entgehen lassen sollte. Natürlich gleich eine 24km Strecke, damit man auch was davon hat. Den Pont d´Arc hatten wir uns bereits am Vortag nach der Etappe angesehen und so starteten wir am letzten Einstieg, bevor der Canyon bis St. Martin die Zivilisation dank seiner Tiefe verbannt. In den Stromschnellen fanden wir uns manchmal unter dem Kanu gegen einen Felsen gespült wieder. Wenn man dann unter seinem Kanu hervorkam sah man 300m nach oben über den Felsen die Geier greisen. Vielleicht haben die schon den ein oder anderen Touristen verspeist, der an einem Fels hängen blieb? Ein paar versunkene Kanus haben wir jedenfalls gefunden, aber ohne die Insassen. 24Km waren am Ende aber doch eine sehr anstrengende Sache. Richtung St. Martin wird der Fluss ruhiger und das Wasser kommt dank eines Wehrs fast zum stehen. Also muss man die letzten 5km kräftig paddeln und am Ende hatten wir Muskelkater ohne Ende in den Armen. Lohnenswert war der Ausflug aber allemal. Wenn es ein nächstes mal geben sollte,  nehmen wir vielleicht doch die 12km strecke und legen uns dafür noch einige Stunden auf die schönen Sandbänke. Denn ein Sportdefizit gibt es nach über 500km Radrennen sicher nicht auszugleichen.